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Die Schlacht am Karrenberg

von Otto Bruchwitz

Unsere Heimat ist arm an kriegerischen Ereignissen, die geschichtliche Bedeutung erlangt haben. Umsomehr werden wir uns bemühen, das Gedächtnis an eine Kampfhandlung zu erhalten, die für Pommern und die Uckermark sowie Brandenburg von entscheidender Bedeutung war und weit über die Grenzen beider Länder Aufsehen erregte. Ältere und mehrere prenzlauische, märkische, mecklenburgische und pommersche Geschichtsschreiber haben sich bemüht, die Vorgänge vor, während und nach der Schlacht am Karrenberge am 25. November 1399 darzustellen. Der mecklenburgische Geschichtsforscher Lisch hat schon 1846 in den "Mecklenburgischen Jahrbüchern" der "Schlacht bei Neuensund" eine besondere Abhandlung gewidmet, auch Heidemann in seiner Arbeit "Brandenburg unter Jobst von Mähren" beschäftigt sich eingehend damit. Lisch sagt mit Recht: "Selten sind in unserer Geschichte Begebenheiten mit so viel Einzelheiten überliefert", und fügt dann hinzu: "und doch ist die Sache so dunkel gewesen. Dieser Vorwurf trifft vorzüglich und gleich die Bestimmung des Schlachtortes." Ihm und auch anderen Forschern ist es gelungen, den Schlachtort festzulegen. Er suchte ihr auf mecklenburgischen Boden bei dem Dorfe Gehren, und der "Prenzlauer Heimatkalender" vom Jahre 1932 nahm dafür den "Fuchsberg" bei Neuensund in Anspruch. Die Schwierigkeit lag eben darin, daß der Ortsname "Karrenberg" verschwunden ist. Erst aus den Torgelower Amtsakten gelang es mir festzustellen, daß der "Burgwall" bzw. der wie die Bastion einer Festung in die Uckermark vorspringende Höhenzug an der Straße Rothemühl - Strasburg im Mittelalter der "Karrenberg" hieß.

Dieser Kampf mit seinen Folgen ist ein Ausschnitt aus dem dreihundertjährigen Streite zwischen Brandenburg und Pommern um die Uckermark und gehört zu den Wirren, die um die Mark nach dem Tode Kaiser Karl IV. im Jahre 1378 hereinbrachen und erst nach dem Erscheinen der Hohenzollern im Jahre 1411 beendigt wurden. Der unmittelbare Anlaß war, daß Markgraf Wilhelm von Meißen, dem die Mark verpfändet war, im Jahre 1398 das Schloß Boitzenburg von den Mecklenburgern zurückeroberte. Im Herbst des folgenden Jahres erneuerten die Herzöge Johann und Ulrich von Mecklenburg-Stargard ihren Angriff auf die Uckermark in der Richtung auf Prenzlau. Ehe der Verlauf des Feldzuges und der Kampf am Karrenberge geschildert werden, sollen die vier Urkunden angeführt werden, die sich auf die Schlacht beziehen.

1.) Am 2. Februar 1408 stifteten die beiden obengenannten Herzöge der Heiligen Katharina eine Vikarei an einem Altar vor dem Steintore in Friedland und erfüllten damit das Gelöbnis, das sie vor der Schlacht am Katharinentage (25. November) 1399 auf dem Karrenberge bei Neuensund getan hatten.

2.) Im Jahre 1415 fanden Verhandlungen zwischen dem Hohenzollern Friedrich I. und den Pommernherzögen wegen der Einlösung der Uckermark statt. Unter Forderungen der märkischen Vasallen heißt es: "Borcharde einen Borger in Prenzelaw tein schogk vor ere perde, dy nomen worden upp deme Karrenberge".

3.) Jedenfalls in demselben Jahre, die Urkunde gibt das Jahr nicht an, sagen die mecklenburgischen Herzöge Johann und Ulrich den Prenzlauern Fehde an, weil sie von den "Stettinischen Herren" (es waren Otto II. und Kasimir VI.) abgefallen seien und nur dem Kurfürsten huldigen, und weisen darauf hin: "alz gi unz in Sunte katharinen dage huldigen unde sworen einen eet uppe dem karrenberge".

4.) Herzog Johann von Mecklenburg war in brandenburgische Gefangenschaft geraten. Am 28. Juni 1427 wurde er freigelassen; in der Urkunde entbindet er die Stadt Prenzlau von der seinem Vater geleisteten Erbhuldigung: "so dann die von prempezlow unserem vater und unseren vettern herzogen ularichen seligen auff dem karrenberge, als wir meynen, sollen getan haben."

Detmar erzählt in seiner Lübecker Chronik: "1399. In demsulluen iare bi sunte lucien daghe (13. Dezember) do toghen hertoghe iohan unde herthoge ulrik twe brodern, heren to stargarde, vor prenslauwe. Alse dir vornemen de borgere binnen der stad, se togen uter stad mit ganzer macht up ere viande, se to vordrivende, un de viande quemen in tuschen de stad unde die borghere, unde venghen se alto male. Se leten se en sik huldighen, se toghen mit en in de stad to deghedinghen, se beschatten se in sostich dusend seok großen, unde nemen de rikesten borghern to ghisele, so vele als se wolden."

Die in dieser Beschreibung enthaltenen Irrtümer ergeben sich aus der folgenden Darstellung, wie wir uns den ganzen Verlauf des Krieges aus den überlieferten Nachrichten mit großer Wahrscheinlichkeit rekonstruieren können.

Die beiden mecklenburgischen Herzöge sammelten ihre Truppen bei Friedland und zogen auf der alten Heerstraße über Galenbeck und Neuensund bis zum Karrenberg, wo sie eine Art "Aufnahmestellung", um mich eines modernen Ausdruckes zu bedienen, bezogen, während sich bei Prenzlau ein prenzlau-uckermärkisches Herr sammelte. Ein mecklenburgisches Streifkorps kam bis vor die Tore von Prenzlau, wo sie den Bürgern das Vieh wegfingen. Die Räuber zogen sich auf den Paß zurück, der am östlichen Fuße des Karrenberges über die Grenzhöhe geht. Als das märkische Heer bei der Verfolgung der kleinen Streifschar ziemlich sorglos auf den Paß zumarschierte, bei dem sie die Anwesenheit einer größeren feindlichen Macht nicht vermuteten, erkannten die Herzöge, daß nicht nur ein Sieg, sondern trotz der feindlichen Übermacht ein entscheidender Schlag zu führen sei, und sie erflehten die Hilfe der Heiligen Katharina, deren Namenstag der 25. November ist, unter Ablegung eines Gelöbnisses. Als die Märker, deren Mehrzahl aus Prenzlauern bestand, in den Engpaß, der bei dem heutigen Restaurant "Burgwall" beginnt und der von beiden Seiten durch Moräste, kleine Teiche, tiefe Täler und steile, bewaldete Abhänge begleitet wird, einmarschiert waren, löste sich die Ordnung in dem schwer passierbaren Wege vollständig auf. Jetzt erfolgte von allen Seiten der Angriff. Ein ernsthafter Widerstand war nicht möglich; es spielte sich gleichsam eine Teutoburger Schlacht im kleinen ab, wenn sie auch nicht mit der Vernichtung des Gegners endete, woran die Herzöge kein Interesse hatten.

Nach der Entlassung wurden die Gefangenen auf den Karrenberg geführt, der damals innerhalb des Burgwalles jedenfalls noch unbewaldet war. Sie wurden zur Huldigung gezwungen; ferner mußten sich die Prenzlauer, als die wohlhabendsten der Geiseln, zur Zahlung von 60 000 Schock böhmischer Groschen verpflichten. Die Urkunden unterscheiden die Schlacht am Karrenberge und die Huldigung auf ihm.

Bis zur Abtragung des Lösegeldes mußte die Stadt Prenzlau als Pfand gesetzt werden. Heidemann schreibt über die Bedeutung der Schlacht: "Die Niederlage am Karrenberge bedrohte also Prenzlau mit dem materiellen Ruin oder dem Verluste der Selbständigkeit, und um diesen Gefahren zu entgehen, entschlossen sich die Betrüger zu dem bedeutsamen Schritte, die Herzöge von Stettin als ihre Herren anzuerkennen und deren Schutz gegen ihre Feinde anzurufen. Am 6. Dez. 1399 bestätigen ihnen Suantibor und Bogislav alle Freiheiten, welche sie von den Markgrafen von Brandenburg erhalten hatten, und dieser Akt setzt voraus, daß die Huldigungsleistung von seiten Prenzlaus schon voraufgegangen war. Unter der pommerschen Herrschaft waren die Bürger nun imstande, die Zahlung der 60 000 Schock Groschen zu verzögern, und, als sie endlich unter den Burggrafen Friedrich zu Brandenburg zurückgekehrt waren, dieselben zu verweigern."

"Ein Einspruch gegen die Lossage Prenzlaus von der Mark scheint weder von seiten Jobst´s noch der märkischen Stände erfolgt zu sein und wäre überhaupt wirkungslos gewesen. An eine Expedition zur Rettung der Stadt war in dieser Zeit gar nicht zu denken; denn die gesamte Mittelmark erfuhr nach 1399 das traurige Schicksal, der Schauplatz wüster Fehden und verderblicher Kämpfe zu werden."

Die Herzöge von Mecklenburg müssen damit einverstanden gewesen sein, daß die eigentlichen Nutznießer die Pommern waren, wie aus dem der Stadt Prenzlau im Jahre 1415 übersandten Fehdebrief hervorgeht; denn sie stellten sich hier auf die Seite der Pommern, als die Stadt von diesen abgefallen war. Jedenfalls erkannten sie, daß der vereinten pommerschen und uckermärkischen Macht gegenüber die Siegesbeute doch nicht zu halten war. Sie haben sich wohl mit den Pommern über irgendeine Abfindung geeinigt, obgleich die Urkunden nichts darüber verraten. Die Mark Brandenburg verlor den Vorort der Uckermark, und Pommern-Stettin gewann ein festes Ausfalltor zum Angriff auf den Barnim und das Havelland und damit die Aussicht, alles das, was im Laufe von ungefähr 200 Jahren an Brandenburg verlorengegangen war, zurückzugewinnen. Nur die energische Hand des ersten Hohenzollern vereitelte die Verwirklichung dieser Folgen der Schlacht am Karrenberge und damit den gänzlichen Verfall der Mark Brandenburg.

Wenn Detmar als Kampftag den 13. Dezember und die Huldigung als in Prenzlau erfolgt angibt, so sind das begreifliche Unrichtigkeiten. Von einigen Geschichtsschreibern wird auch behauptet, die pommerschen Herzöge seien an dem Kampfe am Karrenberge beteiligt gewesen; dafür ist aber kein Beweis zu erbringen und nach der Lage der Dinge auch kaum anzunehmen.

Daß der Karrenberg auf pommerschen und nicht auf märkischem oder mecklenburgischen Boden liegt, geht aus den Akten des Torgelower Amtes einwandfrei hervor. Hier heißt es:

"Aßmus Mukervitzen (Besitzer Torgelows von 1504 - 1562) bericht von der Landgrentz zwischen der Uckermark und lande Stettin ahn Mukervitzen gueteren: Gehet ahn, wie er berichtet, hart am Schonwalde (Schönwalde), fast einem Viertel weges vor lutken Luckow (Klein-Luckow) uber bis ahn das felde zu Großen Luckow, von dar nach dem Karrenberge, ferner nach dem Newen Sunde, bis ahn die Newen Sunde stücke."

Ferner erwähnt Fidizin ("Die Territorien der Mark Brandenburg") bei der Beschreibung des uckermärkischen Dorfes Wismar:

"Einen anderen Anteil besaßen im Jahre 1536 die Vettern Werner und Heinrich von Raven (auf Groß-Luckow). Sie besaßen: einen Anteil am Dammentzschen See, das Rosenland, den "Karrenberg", die Asserbecken bis an den alten Weg zum Burgwalle.

Noch heute verlaufen die Grenzen der oben angegebenen märkischen Güter um den Berg herum, der mit seinen 120 m und den steilen Abhängen eine auffallende Landmarke ist.

Bei der schwedischen Landesaufnahme 1693 waren die Befestigungen des alten (wendischen ?) Burgwalls auf dem Karrenberge noch so gut erhalten, das sie dem Landmesser auffielen; er vermaß sie genau und zeichnetete sie in die Karte ein, der einzige Fall, der mir von der schwedischen Landesaufnahme bekannt ist. Heute ist der Burgwall, der der größte Pommerns ist, unter Naturschutz gestellt, leider hat sich die vorgeschichtliche Forschung bis jetzt wenig um die Erforschung des Burgwalles gekümmert.

Vielleicht geben diese Zeilen die Anregung dazu, das Versäumte nachzuholen.

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Text von Otto Bruchwitz hier als Abschrift (Verf.: H. Bruchwitz)

Quelle: Otto Bruchwitz . aus: Der Kreis Ueckermünde, Heimatbuch, 1935, S. 17 - 19.